Irak im Buch

In Krisenzeiten ist nicht nur der Bedarf an schneller Information groß. Viele greifen in der Nachrichten-Flut nach politischen Büchern, um die Situation einzuordnen. Aktuelle Bücher über den Irak - ein Überblick.

Die Nachfrage nach Sachbüchern ist in den vergangenen Wochen in Deutschland enorm gestiegen. Das war schon nach dem 11. September 2001 so. Aber in einem unterscheidet sich der Irak-Krieg natürlich vom Terror-Anschlag auf die USA: Er war seit langem geplant und absehbar. Und so mussten die Verlage nicht mit publizistischen "Schnellschüssen" reagieren, sondern haben über die vergangenen Monate bereits ein breites Angebot zu unterschiedlichen Aspekten vorgelegt.

Laut der Arbeitsgemeinschaft für Kriegsursachenforschung (AKUF) der Universität Hamburg ("Das Kriegsgeschehen 2002", herausgegeben von Wolfgang Schneider bei Leske + Budrich) hat der Krieg im Irak auch gar nicht erst im März 2003 begonnen, sondern schon im Dezember 1998. Damals begannen die US-Amerikaner und Briten, bis zu dreimal in der Woche Luftangriffe gegen den Irak zu fliegen, und zwar sowohl innerhalb als auch außerhalb der Sperrzonen.

Absichten einer Weltmacht

Cover 'Irak - Chronik eines gewollten Krieges'

​​So ist es kein Zufall, dass auch "Irak - Chronik eines gewollten Krieges" des ehemaligen UN-Diplomaten Hans von Sponeck und des Journalisten Andreas Zumach schon vor dem "offiziellen" Beginn des Krieges erschienen ist. Seine Kernthese lautet: Der Krieg gegen den Irak ist völkerrechtlich nicht legitimiert, weil es keine Beweise für eine vom Irak ausgehende Bedrohung gibt. Es gehe der amerikanischen Regierung unter Präsident Bush lediglich darum, die volle Kontrolle über die Energie-Quellen im Mittleren Osten zu erlangen.

Die Absichten und auch die weltpolitische Rolle der Vereinigten Staaten sind das, was die meisten Menschen beschäftigt. Für viel Zündstoff hat in diesem Zusammenhang der amerikanische Politik-Berater und Kolumnist Robert Kagan mit "Macht und Ohnmacht - Amerika und Europa in der neuen Weltordnung" gesorgt, das inzwischen auch auf deutsch vorliegt (Siedler). Kagans Argument: Europas Vertrauen in multilaterale Institutionen wie die UN ist ein Zeichen seiner militärischen Schwäche. Weil Amerika militärisch so dominant ist, kann es sich auch politisch Alleingänge leisten. Die USA werden die Welt noch auf lange Sicht eindeutig dominieren.

Das "alte Europa" und die Weltordnung

Dem widerspricht - wie könnte es anders sein? - ein Franzose. Emmanuel Todd hat den provokativen Titel "Weltmacht USA - ein Nachruf" gewählt. Er führt vor allem wirtschaftliche Argumente dafür an, dass der Stern der zur Zeit einzigen Supermacht bereits im Sinken begriffen sei.

Europa muss die amerikanische Vormachtstellung, die Rolle der USA als 'Weltpolizist' akzeptieren und das beste daraus machen, fordert die Soziologin Sibylle Tönnies ("Cosmopolis now"). Ob Wertvorstellungen oder praktische Politik: Europa und Amerika trennen Welten - führt dagegen die Schweizer Politikerin Gret Haller in ihrem Buch "Die Grenzen der Solidarität" (Aufbau-Verlag) anhand ihrer Erfahrungen in Bosnien aus. Und es gibt ja nicht nur die USA und das "alte Europa". Wie sich die zukünftige Weltordnung aus Moskauer Sicht darstellt, beschreibt Außenminister Igor Iwanow in "Die neue russische Diplomatie" (Econ).

Chauvinistisch und wenig weltoffen

Die Politik der Bush-Regierung ist vielen Deutschen unverständlich. Vor allem die kritischen Stimmen aus den USA selbst sind da gefragt zur Zeit. Vom Dokumentarfilmer und Oscar-Preisträger Michael Moore ("Stupid White Men") über "Im Schatten des Sternenbanners" des Journalisten Mark Hertsgaard (Hanser) bis zu Marcia Pallys "Lob der Kritik. Warum die Demokratie nicht auf ihren Kern verzichten darf" (Berlin Verlag): Viele Amerikaner kritisieren die als konservativ, chauvinistisch und wenig weltoffen empfundene Grundstimmung in ihrem Land.

Aktuelles und Geschichtliches

Cover 'Unbekannter Irak'

​​Eine Reihe von Büchern beschäftigen sich natürlich auch mit dem Irak selbst. "Saddam Hussein" von Con Coughlin ist der Versuch, den Machthaber von Bagdad zu porträtieren – was mangels verlässlicher Quellen nicht ganz einfach ist. Dass Irak auch mal ein Reiseland war, ist fast in Vergessenheit geraten. Wie bedauerlich das ist, beweist der Reiseführer "Irak" von Wolfgang Gockel (DuMont), der daran erinnert, dass das Zweistromland eine der ältesten Kulturregionen der Welt ist. "Unbekannter Irak", eine Veröffentlichung von "National Geographic", ist ein weiterer Versuch, den Lesern die anderen Seiten des Irak und dessen lange Geschichte etwa nahe bringen. Und auch die "Briefe aus Bagdad" von Ursula Gräfin von Schlieffen (dtv) lassen den Leser zurück blicken in die Zeit vor Saddam Hussein: durch die authentischen Briefe einer jungen Frau, die in den frühen 1960er Jahren als Ehefrau des deutschen Botschaftsattachés in Bagdad lebte.

Der Orient: 1001 Rätsel?

Cover 'Schöner neuer Orient'

​​Gefragt sind nach wie vor Bücher über die islamische Welt. Zu nennen ist zum Beispiel "Der Untergang des Morgenlandes" des renommierten Historikers Bernard Lewis (Lübbe). Oder eine Kritik aus den "eigenen Reihen" gewissermaßen: "Die Krankheit des Islam" von Abdelwahab Meddeb (Wunderhorn) - ein Plädoyer gegen den Fundamentalismus wie auch gegen anti-islamische Vorurteile, das auch westlichen Lesern die Augen für inner-arabische und inner-islamische Diskussionen öffnet. Der Islamwissenschaftler und Journalist Navid Kermani hat eine Sammlung von Reportagen publiziert ("Schöner neuer Orient", Beck), die ein differenziertes Bild jenseits der Klischees von 1001 Nacht oder der islamistischen Extremisten zeichnet.

Die Bedeutung des Erdöls in der Region (über den Irak hinaus) thematisiert Lutz Klevemann in seinem Buch "Der Kampf um das Heilige Feuer. Wettlauf der Weltmächte am Kaspischen Meer" (Rowohlt Berlin). Und die Rolle der "Medien zwischen Krieg und Frieden" wird viel diskutiert in diesen Tagen: Dazu haben Ulrich Albrecht und Jörg Becker ein Buch veröffentlicht, das kritischen Fernsehzuschauern und verunsicherten Redakteuren gleichermaßen Hilfestellung bietet.

Thomas Bärthlein, Deutsche Welle; © 2003, Deutsche Welle