Unentwegt gegen die Ohnmacht

Als couragierte Anwältin verteidigte Behjat Moaali nach der Revolution von 1979 rechtlose Frauen im Iran – ein lebensgefährliches Engagement, das sie später zur Flucht nach Deutschland zwingt. Von Petra Tabeling

Behjat Moaali ist eine ungewöhnliche Frau: Als couragierte Anwältin verteidigte sie nach der Machtübernahme Khomeinis rechtlose Frauen im Iran – ein lebensgefährliches Engagement, das sie später zur Flucht nach Deutschland zwingt. Heute leitet sie das Kieler Zentrum für Flüchtlingsopfer, "Refugio2. Ein Porträt von Petra Tabeling

Foto: Krüger Verlag
Behjat Moaali

​​"Iranische Frauen sind sehr stark und intelligent, sie können sich schnell in der Fremde einfinden", meint Behjat Moaali auf die Frage, wie sich denn ihre Landsleute im Exil zurechtfinden. Moaali sagt das bestimmt und irgendwie bescheiden.

Von sich so zu sprechen läge der Iranerin, die seit August 1989 in Deutschland lebt, wohl eher fremd. Dabei ist sie eine dieser sehr starken und intelligenten Frauen, und das machte ihr ein Leben im Iran letztlich unmöglich.

Behjat Moaali wird 1949 als drittes von neun Kindern eines wohlhabenden und ungewöhnlich liberalen Fabrikbesitzers geboren. Sie studiert Rechtswissenschaften, wird eine der ersten Anwältinnen des Iran und setzt sich vor allem für die Rechte iranischer Frauen ein.

Sie verteidigt kostenlos inhaftierte Frauen wie Tara, die im Teheraner Frauengefängnis zum Tode verurteilt ist. Die junge schöne Mutter, verwitwet arm und Analphabetin, hatte sich geweigert, erneut zu heiraten. Sie wollte selbst für sich sorgen.

Mit diesem Selbstbewusstsein war sie den Dorfbewohnern zu lästig. Eines Tages wurde sie beschuldigt, die Kinder einer angeblichen Rivalin getötet zu haben - ohne jeden Beweis.

Die Geschichte von Tara

Diese Begegnung und dieser Fall waren es, die die Anwältin und den Menschen Behjat Moaali nicht mehr loslassen sollte und die zu ihrer Biografie gehört. Über Jahre kämpft sie gegen das Todesurteil an und gewinnt schließlich.

Doch als Khomeini an die Macht kommt und die Revolutionswächter das Leben bestimmen, wird Tara doch hingerichtet. Moaali ist verbittert. Sie hat es nicht geschafft, Tara zu retten. Doch die Einschränkung der Freiheit ist willkürlich, die Situation verschärft sich im Iran.

Moaali versteckt regimekritische Freunde und setzt sich für die demokratische Frauenbewegung ein. Doch dann wird es auch für sie zu gefährlich, sie flieht zusammen mit einem ihrer Söhne nach Deutschland, nach Kiel.

Foto: Krüger Verlag
Zerreiße den Schleier der Ohnmacht

​​Moaali hat über das Schicksal Taras und ihre Begegnung ein Buch geschrieben: "Zerreiße den Schleier der Ohnmacht", das vor wenigen Monaten im Frankfurter Krüger Verlag erschien.

Es ist ein Zeitdokument über das Leben der Frauen im Iran, über so unterschiedliche Lebensläufe wie die von Tara und Behjat Moaali, mit einem gemeinsamen Ziel: Unabhängigkeit, Freiheit, Selbstbestimmung.

Geborgenheit für Flüchtlinge in Deutschland

Noch oft hat Moaali von Tara geträumt. Und heute? Nach so vielen Jahren in Deutschland? "Ich träume noch immer von ihr, aber anders" meint Moaali, "immer dann, wenn ich traurig bin, wenn ich etwas nicht geschafft habe."

"Refugio2 ist das Zentrum für Behandlung, Beratung und Psychotherapie von Folter-, Flucht- und Gewaltopfern in Schleswig-Holstein e.V. Doch Behjat Moaali hat viel geschafft, aber immer mehr schaffen zu wollen, das gehört auch zu ihrer Persönlichkeit.

In Deutschland hat sie sich erneut ganz dem Schicksal von Menschen verschrieben. Das Telefon klingelt oft bei "Refugio", eine Organisation für Flüchtlingsopfer in Kiel, die seit 1997 existiert.

Die Arbeit des Vereins wird vom Europäischen Flüchtlingsfond unterstützt und genießt bundesweit große Anerkennung. Dort arbeitet sie zusammen mit drei weiteren Kollegen, deren Stellen durch Projekte der Europäischen Union finanziert werden.

Die Büroarbeit kostet viel Zeit – zu viel, um sich den vielen Fällen umfassend zu widmen, klagt sie. "Das ist meine Art, ich möchte so vielen Menschen Geborgenheit und Sicherheit geben können." Halt für Frauen, Männer und Kinder, die wegen der Umstände aus ihren Ländern fliehen mussten und die sich "Refugio" anvertrauen.

Vor allem Flüchtlinge aus Kurdistan, dem Balkan, den GUS-Ländern, insbesondere Tschetschenien, Irak, Afghanistan. Frauen und Männer gleichermaßen. "Die Statistik ändert sich tagtäglich", berichtet Moaali.

"Es gibt Länder, aus denen mehr Frauen rauskommen und welche, aus denen vorwiegend die Männer flüchten"; z.B. aus dem Irak. Frauen schaffen es selten, schon gar nicht Alleinstehende.

Rückkehr? Information und Friedenspreis lassen hoffen

Und der Iran? Was hat sich geändert in den letzten Jahren? Die Frauen versuchen langsam aber sicher ihre Rechte wiederzubekommen. Sie ließen sich nicht davon abhalten, sich zu informieren.

Das zeigen schon die Zahlen an den iranischen Universitäten: 60 Prozent der Studenten sind Frauen. Seit 1997 dürfen Frauen auch wieder als Richterrinnen arbeiten – wenn auch nur im Familienrecht.

Dass nun auch ihre einstige iranische Mitstreiterin Ebadi den Friedenspreis bekommen hat, ist ebenfalls ein positives Signal. Aber noch immer werden 12jährige Mädchen verheiratet, alte frauenfeindliche Stammestraditionen aufrechterhalten.

Darüber erfährt sie heute aus dem Internet. Die Tatsache, dass heute wenigstens darüber geschrieben wird, wertet sie ebenfalls als demokratischen Fortschritt im Iran. Andererseits aber sitzen noch zu viele Menschen in Gefängnissen.

Hat auch Behjat Moaali das Gefühl, sie werde immer noch überwacht? Ja, davon gehe sie aus, sagt sie: "So lange der Geheimdienst und das Informationsministerium existieren, kann ich nicht zurück."

Heute fühlt sie sich sehr wohl im deutschen Exil, lebt mit ihren Kindern und einem deutschen Ehemann in Kiel. Und wenn sie die doch die Möglichkeit hätte, wieder im Iran als Anwältin zu arbeiten? "Ich kann nicht mehr bei Null anfangen, schon wegen meines Alters. Ich habe mich anders entwickelt und die Leute dort auch", meint die 54jährige bestimmt.

Aber wenn sie wieder dort sei, dann habe sie einen Wunsch: In Taras Dorf zu fahren und deren Kinder zu treffen – ein Wunsch, der untrennbar zu Moaalis eigener Biografie gehört.

Petra Tabeling, © Qantara.de 2003

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