Dem Koran und der Toleranz verpflichtet

Die Sudanesin Awatif Elageed ist Dozentin an der Ahfad-Frauen-Universität in Omdurman und setzt sich in ihrer Heimat für Frauenrechte und den Dialog zwischen den Religionen ein. Monika Hoegen stellt den Lebensweg der Afrikanerin vor.

Die sudanesische Muslimin Awatif Elageed ist Dozentin an der Ahfad-Frauen-Universität in Omdurman und setzt sich in ihrer Heimat für Frauenrechte und den Dialog zwischen den Religionen ein. Monika Hoegen stellt den Lebens- und Karriereweg der Afrikanerin vor.

Die Ahfad-University in Omdurman, Sudan, ist eine private Universität für Frauen
Die Ahfad-University in Omdurman, Sudan, ist eine private Universität für Frauen

​​Wenn man sie sieht, in ihrem gut sitzenden, hell-beigen Kostüm, darunter eine rote Bluse, könnte man sie für eine Geschäftsfrau aus einer wohlhabenden afrikanischen Region halten. Doch bei ihr ist vieles anders, als es auf den ersten Blick scheint.

Awatif Elageed ist 40 Jahre alt und kommt aus dem Sudan - einem der ärmsten Länder der Welt, einem Land, das in den vergangenen Jahren von Bürgerkriegen erschüttert wurde und bis heute von der Krise in Darfur gezeichnet ist. Es ist ein Land, in dem die Frauen wenig Rechte haben. Und doch ist Awatif Elageed Dozentin an der Ahfad Frauen-Universität in Sudan - die einzige ihrer Art in Afrika.

Die Frauenforscherin ist überdies Muslimin und - das ist vielleicht die größte Überraschung - derzeit Stipendiatin einer christlichen Organisation, dem deutschen Evangelischen Entwicklungsdienst (eed). Die Organisation unterstützt die Sudanesin im Rahmen des Programms "Entwicklung durch Bildung" bei einem Postgraduierten-Studium in Deutschland.

Die Ahfad-Frauen-Universität

Ungewöhnlich wie Awatifs Lebensweg war schon der des Ur-Vaters ihrer Universität und Pioniers der sudanesischen Bildung, Babiker Badri. Schon 1898 kam der gläubige Muslim auf die Idee, nicht nur Jungen im Koran zu unterrichten, sondern auch Mädchen eine minimale Grundausbildung zu ermöglichen.

Zweimal wurde dieses Ansinnen von den Briten abgelehnt, weil sie den Widerstand der sudanesischen Bevölkerung befürchteten. Doch 1907 war es soweit: Die Mädchenschule entstand. Und damit nicht genug: Badris Sohn Yusuf gründete 1966 die Frauenuniversität Ahfad.

Dort steht nicht so sehr feministische Theorie auf dem Lehrplan, als vielmehr praktische Erfahrung. Die Universität unterhält mehrere Projekte zur Unterstützung und Einkommensverbesserung von Frauen in den ländlichen Gebieten Sudans. Dort müssen die Studentinnen auch "mit anpacken" und einige Semester verbringen.

Ungerechte Landverteilung

Die Probleme ihrer Geschlechtsgenossinnen in den Provinzen sind damit den priviligierten Damen von der Uni bestens vertraut - auch ihrer Dozentin Awatif Elageed:

"Sie sehen sich wirklich vielen Problemen gegenüber", erzählt die Frauenrechtlerin, "zum Beispiel der Eigentumsfrage auf dem Land - vor allem in den bewässerten Zonen. Denn in den regenreichen Gebieten gehört das Land manchmal der Gemeinde. Doch in den bewässerten Regionen wurde es bei der Landverteilung nur an die Männer gegeben, nicht an die Frauen."

Das war schon so zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft im Sudan und ist bis heute so geblieben. Die Folge: Nur 13 Prozent der Frauen besitzen überhaupt Grund und Boden. Doch auch in den Städten müssen die Sudanesinnen weiter um ihre Rechte kämpfen, zum Beispiel um den Mutterschutz auf einer Arbeitsstelle.

Ein anderes, landesweites Problem ist die Beschneidung. Bis zu 80 Prozent der Frauen im Sudan sind davon betroffen. Die Frauenuniversität Ahfad versucht, mit Aufklärungskampagnen gegen die Beschneidung mobil zu machen.

Doch das wird seit einiger Zeit schwieriger, weiß Forscherin Awatif Elageed: "Es wurde früher einmal pharaonische Beschneidung genannt, weil man annahm, dass es von den Pharaonen kam. Aber jetzt sind sie auf eine neue Idee gekommen: Sie haben die Beschneidung reduziert und nennen sie jetzt Sunna. Sunna ist ein arabisches Wort und bedeutet die Lehre Mohammeds. Also wird es jetzt mehr mit dem Islam verbunden. Und es ist schwieriger für uns geworden, diese Praxis zu beenden und das Problem zu lösen", berichtet Elageed.

Auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre machte sie auf die Situation der Frauen in ihrer Heimat aufmerksam - und sie verbündete sich mit Frauengruppen aus anderen Ländern, um für ein besseres Leben der Frauen weltweit zu kämpfen.

Eine Muslimin unter Protestanten

Dazu ist vor allem der Dialog notwendig - und für den ist die sudanesische Gelehrte geradezu prädestiniert. Schließlich erfährt sie als Stipendiatin des Evangelischen Entwicklungsdienstes interkulturelle und interreligiöse Begegnung täglich am eigenen Leib.

Eine Muslimin inmitten lauter Protestanten - wie das geht? Elageed findet es einfach wunderbar: "Ich fühle mich wie zuhause und sehr wohl. Auch im Islam respektieren wir andere Religionen. Wir alle, Christen und Muslime, glauben doch an einen Gott."

Probleme mit Christen seien ihr fremd - im Gegenteil, sagt Elageed: "Bei allen Aktivitäten, an denen ich teilgenommen habe, erfuhr ich Hilfe, Unterstützung und Solidarität. Auch unter meinen Kollegen, den Stipendiaten, oder von den Leuten des Evangelischen Entwicklungsdienstes, insbesondere von den Mitarbeitern des Stipendienprogramms."

Als gläubige Muslimin fühlt sich Awatif von den Christen in ihrer Umgebung akzeptiert. Doch sie weiß auch um die Schwierigkeiten und zum Teil gewaltsamen Auseinandersetzungen, die es in jüngster Zeit auch in Europa zwischen den Anhängern verschiedener Glaubensgemeinschaften gegeben hat.

Gegenseitige Toleranz

Manchen Muslimen fehle es an Toleranz, räumt denn auch die Frauenforscherin ein. Allerdings müsse es Toleranz auch auf beiden Seiten geben: "Ich denke, auch die Christen sollten einen anderen Glauben und das, was im Islam gilt, respektieren. Ich weiß auch wirklich nicht, warum sie wollen, dass die Frauen kein Kopftuch anziehen. Ich verstehe nicht, wo das Problem ist!"

Frauen, die ein Kopftuch tragen, sollte nicht automatisch religiöser Fundamentalismus unterstellt werden. Selber hat Awatif Elageed sich gegen das Kopftuch entschieden - gerade, weil sie sich als gute Muslimin empfindet. Und als solche reiche es nicht aus, einfach ein Kopftuch zu tragen, denn da müssten noch andere, wichtigere Regeln beachtet werden.

Mit ihrer unorthodoxen Haltung und als Mittlerin zwischen den Religionen steht Awatif damit ganz in der Tradition ihres Universitätsgründers Badri: dem Koran verpflichtet und doch auf der Suche nach neuen Wegen.

Monika Hoegen

&copy DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005

Ahfad-University for Women (engl.)