Imame in der Diözese

In Baden-Württemberg hat eine Diözese erstmals Imame zu einem Seminar eingeladen. Dieser Einladung zum interreligiösen Dialog waren über 30 Imame gefolgt. Filiz Kükrekol berichtet

In Baden-Württemberg hat eine Diözese erstmals Imame zu einem Seminar eingeladen. Der Einladung zum interreligiösen Dialog waren über 30 Imame gefolgt. Veranstaltet wurde das Seminar von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der "Türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion" (DITIB). Von Filiz Kükrekol

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​​Drei Tage lang haben Religionswissenschaftler referiert und mit Imamen, Pfarrerinnen und Pfarrern diskutiert. Es ging um Religionen im säkularen Staat. Sie alle einte der Wunsch, den interreligiösen Dialog voranzutreiben.

Ein straffer Zeitplan musste eingehalten werden. Referate, Workshops, Exkursionen zu Kirchen. Und doch, Seyfi Bozkuş und seine über 30 Kollegen sind sich einig: das Seminar war sehr fruchtbar.

Netzwerke knüpfen

Bozkuş war die letzten vier Jahre Imam der Stuttgarter Moschee. Ohne ihn wäre das Seminar gar nicht erst zu Stande gekommen. Bozkuş ist ein Imam, der während seines Aufenthalts in Deutschland immer wieder den Dialog mit christlichen Geistlichen gesucht hat. Auf dem Seminar, so ist sich Bozkuş sicher, konnten seine Kollegen neue Kontakte knüpfen:

"In erster Linie hat die Veranstaltung eine Kommunikationsbasis zwischen den Repräsentanten der Kirchen und unseren muslimischen Geistlichen hergestellt", meint Bozkuş.

Dialog könne seiner Meinung nach nur funktionieren, wenn ein solcher Austausch zustande kommt:

"Wenn eine solche Kultur des Austausches nicht vorhanden ist, wenn sich die Menschen nicht kennen, vertrauen sie einander auch nicht. Insofern machen wir diesen Schritt, um erst einmal eine Verständigungsbasis herzustellen. Anschließend können unsere Imamfreunde in ihren Gemeinden gemeinsam mit ihren christlichen Kollegen Dialogarbeit leisten."

Verspäteter Dialog

So groß die Freude über die neuen Bekanntschaften auch ist, der interreligiöse Dialog hätte viel früher beginnen müssen. Doch alle Seiten haben dies verschlafen. Denn die meisten mus-limischen Migranten waren als Gastarbeiter gekommen.

Eigentlich sollten sie nach wenigen Jahren wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Dass sie nun in Deutschland ein Zuhause gefunden haben, hätten auch sie sich vor vierzig Jahren nicht träumen lassen.

Zu diesem Thema stellt Seyfi Bozkuş klar: "In der Tat hat man die Probleme der Muslime sehr spät erkannt, Lösungsvorschläge wurden sehr spät gemacht. Möglicherweise hat die zwischen-staatliche Verständigung zu spät eingesetzt. Vielleicht hatte aber auch die ursprüngliche Annahme, dass die Arbeiter auf begrenzte Zeit nach Deutschland kamen, eine Auswirkung auf diese Entwicklung."

Seyfi Bozkuş glaubt, dass die Probleme früher erkannt und Lö-sungen gefunden worden wären, wenn von Anfang an fest gestanden hätte, dass die türkischen Gastarbeiter hier ihre Wurzeln schlagen würden:

"Der Grund weshalb solche Seminare erst jetzt statt finden, liegt auf der Hand: Erst nachdem klar wurde, dass unsere Landsleute hier bleiben, kamen die Probleme zum Vorschein, und damit die Notwendigkeit für den interreligiösen Dialog im Rahmen solcher Seminare."

Doch besser spät als nie. Auch für den Islamwissenschaftler Bekir Alboğa ist der interreligiöse Dialog ein erster Schritt zur Integration der Muslime in Deutschland. Nur durch den Dialog können Vorurteile abgebaut werden.

Ein großer Schritt in Richtung Vertrauen

Alboğa glaubt, dass der interreligiöse Dialog die Tür für eine erfolgreiche Integration öffnen könne: "Durch den interreligiösen Dialog lernen sich die Menschen besser kennen. Wenn man ohne Ängste einen offenen Dialog führen kann, kommt dabei in Sachen Integration ein Gewinn für beide Seiten heraus", erklärt Alboğa.

Das Seminar habe bewiesen, dass auch gegenseitige Akzeptanz und Integration wichtig sei, so der Islamwissenschaftler:

"Also, dass christliche Einrichtungen versuchen, die Denkweise der Muslime zu verstehen und sich ebenfalls in ihre Strukturen zu integrieren. Umgekehrt aber heißt es auch, dass die hier lebenden Imame das Land kennenlernen und einen großen Beitrag zur Integration ihrer Glaubensgenossen beitragen können, ohne jedoch sich zu assimilieren."

Die Veranstalter von der katholischen Seite freuten sich über so viel Zustimmung für ihre Arbeit. Auch Dr. Hansjörg Schmid von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat vieles dazu gelernt. Die Religionswissenschaft kann man schließlich nachschlagen. Persönliche Erfahrungen mit anderen Kulturen hingegen erlebt man am besten selber.

Hansjörg Schmid berichtet: "Es war sehr schön, diese sehr motivierten und interessierten Imame hier zu haben. Der Erfolg und das wichtige Ergebnis dieser Tagung besteht darin, dass Prozesse in Gang gekommen sind, Fragen kritisch diskutiert wurden, zum Beispiel: Wie ist das Verhältnis von Religionen und Staat in Deutschland?", meint Schmid.

Zusammenarbeit als gelebte Integration

Dabei betont Schmid den praktischen Nutzen des interreligiösen Dialogs im Alltag, wenn er fragt:

"Wieso haben die christlichen Kirchen spezielle Privilegien, wie können auch die islamischen Vereinigungen an diesen Privilegien teilhaben? Wie kann auch der Dialog nicht nur in theologischen Fragen, sondern auch in den sozialen Fragen der Altenarbeit, der Sozialarbeit, stärker als bisher geführt werden? "Wenn eine solche Zusammenarbeit in Gang kommt, dann ist das schon ein Stück gelebter Integration!"

Missverständnisse, etwa in welcher Kultur wer zuerst einlädt, wurden endgültig aus dem Weg geräumt. Nun ist klar: Beide Seiten müssen den ersten Schritt machen!

Filiz Kükrekol

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