EU-Gipfel ringt um Haltung zu Nahost-Konflikt - Scholz für Vertrauen in Israel

EU-Außenbeauftragter Borrell (Mitte) in Luxemburg.
EU-Außenbeauftragter Borrell (Mitte) in Luxemburg: Offen für humanitären Waffenstillstand. (Foto: Virginia Mayo/AP Photo/picture alliance)

Die Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs über den Nahost-Krieg haben sich zäh gestaltet. Während sich Länder wie Spanien und Irland für eine Waffenruhe aussprachen, um humanitäre Hilfe für den Gazastreifen sicherzustellen, forderten insbesondere Deutschland und Österreich Unterstützung für Israel. Zugleich nahm die Sorge zu, dass die eskalierende Gewalt in Nahost eine neue Flüchtlingskrise auslösen könnte.


EU-Ratspräsident Charles Michel betonte Israels Recht auf Selbstverteidigung "im Einklang mit dem internationalen Recht". Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich überzeugt, dass die israelische Armee sich ans Völkerrecht halte. Daran habe er "keine Zweifel", denn "Israel ist ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien", sagte der Kanzler.


Beim EU-Gipfel gehe es nun "darum, dass wir gemeinsam nochmal deutlich machen, dass wir Israel unterstützen bei der Verteidigung des eigenen Landes gegen den furchtbaren Angriff der Hamas", sagte Scholz. Ähnlich äußerte sich Österreichs Kanzler Karl Nehammer. Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas müsse bekämpft werden und die EU "dabei Israel bestmöglich unterstützen".


Bei dem Gipfeltreffen wurde um einzelne Begriffe gerungen, mit denen die EU Unterbrechungen der Kämpfe zur humanitären Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen fordern kann. Michel hatte sich in einem nicht mit den Mitgliedstaaten abgestimmten Entwurf für eine "humanitäre Pause" ausgesprochen und damit Kritik Israel-naher EU-Staaten auf sich gezogen.

Streit um "humanitäre Pause" 


Deutschland und Österreich und weitere Länder wie Tschechien sahen die Formulierung "humanitäre Pause" skeptisch, da sie zu sehr nach "Waffenruhe" klinge. In einem aktualisierten Erklärungsentwurf war dann von "humanitären Korridoren und Pausen" die Rede, welche die EU-Staats- und Regierungschefs fordern würden.


Diplomaten zufolge sprachen sich mehrere EU-Länder aber dafür aus, einen echten "Waffenstillstand" zu fordern. Für Deutschland käme dies aber nicht in Frage. Auch Nehammer kritisierte Rufe nach einem Waffenstillstand oder Feuerpausen als "Fantasien", die nur dazu führten, "dass die Hamas sich bestärkt fühlt, weiterzumachen".


Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte verteidigte das israelische Vorgehen grundsätzlich: "Wir erkennen an, dass Israel keine Zukunft hat, wenn es die Hamas nicht eliminiert." Dennoch dürfe dies nicht zulasten "normaler Palästinenser in Gaza" geschehen.
Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez forderte eine "Waffenruhe für humanitäre Zwecke" oder "zumindest eine humanitäre Pause". "Wir wollen, dass das Töten und die Gewalt aufhören, damit humanitäre Hilfe nach Gaza gelangen kann", sagte sein Amtskollege Leo Varadkar. Belgiens Alexander de Croo kritisierte Israel: Es gebe keine Rechtfertigung dafür, den humanitären Zugang zum Gazastreifen zu blockieren.


Michel warb um eine einheitliche Haltung der EU-Staaten. "Einige in der Welt" würden derzeit versuchen, Teile der internationalen Gemeinschaft gegen die EU aufzubringen und "Zweifel an unserer Glaubwürdigkeit zu wecken", warnte der Ratschef. "Unsere Einigkeit wird das beste Argument sein, das wir gegenüber dem globalen Süden vorbringen können."


EU-Parlamentspräsident Roberta Metsola warnte vor einer neuen Migrationskrise. "Sollte sich der Konflikt ausbreiten, müssen wir über Flüchtlinge nachdenken, zum Beispiel syrische Flüchtlinge im Libanon", sagte sie. Ähnlich äußerte sich Zyperns Präsident Nikos Christodoulides. Der Libanon ist weltweit das Land mit den meisten Flüchtlingen pro Einwohner.


Bei dem zweitägigen Gipfeltreffen steht neben dem Krieg im Nahen Osten auch das Thema Ukraine auf dem Programm. Litauens Präsident Gitanas Nauseda forderte, den Krieg in Osteuropa nicht zu vergessen: "Meine Botschaft heute ist, die Ukraine weiterhin zu unterstützen, auch wenn wir andere Krisenherde und geopolitische Gründe haben."


Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte in einer Videoansprache beim Gipfel einen raschen Start der Beitrittsgespräche mit seinem Land. Die EU-Kommission will am 8. November einen Vorschlag zum Beitrittsprozess der Ukraine und der anderen Kandidatenländer machen. Diplomaten rechnen mit einer möglichen Entscheidung der Mitgliedstaaten im Dezember. Der Start der Beitrittsgespräche erfordert einen einstimmigen Beschluss der 27 Mitglieder.


Laut dem Entwurf der Gipfelerklärung wollen die Staats- und Regierungschefs "die unverbrüchliche Unterstützung der Europäischen Union für die ukrainische Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität" bekräftigen. (AFP)