Signale aus USA und Katar nähren Hoffung auf Freilassung von Geiseln in Gaza

Angehörige der Verschleppten in Jerusalem: "Jetzt, jetzt, jetzt", skandiert die Menge immer wieder.
Angehörige der Verschleppten in Jerusalem: "Jetzt, jetzt, jetzt", skandiert die Menge immer wieder. (Foto: Mahmoud Illean/AP/picture alliance)

* Blatt: Kampfpause gegen Geisel-Freilassung und humanitäre Hilfe

* Netanjahu: Bis jetzt gibt es keine Einigung

* Israels Botschafter in den USA zeigt sich aber zuversichtlich

Gaza/Jerusalem/Washington. Gut sechs Wochen nach dem Großangriff der Hamas auf Israel wächst die Hoffnung auf eine baldige Freilassung von einigen der damals in den Gazastreifen verschleppten Geiseln. Von Nidal al-Mughrabi und James Mackenzie (Reuters)

Der israelische Botschafter in den USA, Michael Herzog, sagte am Sonntag dem US-Fernsehsender ABC, er hoffe, dass es in den kommenden Tagen eine Einigung gebe und eine nennenswerte Zahl von Geiseln freigelassen werden könne. Zuvor hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einen Bericht der "Washington Post" dementiert, wonach Israel, die USA und die Hamas sich auf eine fünftägige Kampfpause und die Freilassung Dutzender Frauen und Kindern geeinigt haben sollen.

Die Zeitung berichtete unter Berufung auf eine sechsseitige Vereinbarung sowie damit vertraute Personen weiter, die Freilassung von Geiseln könnte in den nächsten Tagen beginnen, sofern es nicht noch zu Problemen komme. Es sei geplant, dass beide Seiten die Kampfhandlungen für mindestens fünf Tage einstellen, während alle 24 Stunden mindestens 50 Geiseln in Gruppen freigelassen werden sollten. Die Hamas hatte während ihres Angriffs auf Israel, bei dem sie etwa 1200 Menschen tötete, rund 240 Geiseln genommen und in den dicht besiedelten Gazastreifen mit seinen 2,3 Millionen Einwohnern verschleppt.

Laut "Washington Post" wurde der Entwurf für die Vereinbarung wochenlang in Katar ausgearbeitet. Das Emirat bestätigte indirekt fortgeschrittene Verhandlungen. Man sei zuversichtlicher als zuletzt, dass es zu einer Vereinbarung komme, sagte Ministerpräsident Mohammed Bin Abdulrahman al-Thani am Sonntag. Die Herausforderungen im Zusammenhang damit seien nur noch sehr gering. Die strittigen Punkte bezögen sich auf praktische und logistische Fragen.

DRUCK AUF NETANJAHU WÄCHST

Netanjahu hatte dagegen am Samstag zu dem Zeitungsbericht gesagt, mit Blick auf die Geiseln gebe es viele unbegründete Gerüchte und falsche Berichte. "Ich möchte klarstellen: Bis jetzt gibt es noch keine Einigung." Wenn es etwas zu sagen gebe, werde darüber informiert werden. Nach dem Angriff der vom Iran unterstützten Hamas vom 7. Oktober, der Israel völlig unvorbereitet getroffen hatte, hatte Netanjahu erklärt, die Hamas vernichten zu wollen. Seitdem geht die israelische Armee gegen die Gruppe im Gazastreifen vor.

Dabei starben nach Angaben aus dem von der Hamas beherrschten Gazastreifen bislang rund 12.300 Palästinenser, darunter 5000 Kinder. Israel wirft der Hamas vor, Zivilisten und zivilen Strukturen wie etwa Krankenhäuser als Schutzschilde zu missbrauchen. Die radikal-islamische Organisation weist dies zurück. Täglich gibt es Bilder von neuen Opfern und israelfeindlichen Protesten in zahlreichen Ländern, die den Druck auf Netanjahu ebenso erhöhen wie Forderungen innerhalb Israels, auf eine Freilassung der Geiseln hinzuwirken.

Ein Vertreter des US-Präsidialamts erklärte am Sonntag, eine Einigung sei so nah wie nie zuvor seit Beginn des Krieges. Vize-Sicherheitsberater Jon Finer sagte im US-Sender NBC, es gehe um "deutlich mehr als zwölf" Geiseln. Die Vereinbarung dürfte auch eine längere Kampfpause umfassen, um die Lieferung von Hilfe in den Gazastreifen zu ermöglichen. Allerdings warnte Finer vor zu großem Optimismus. "Nichts ist beschlossen, solange nicht alles beschlossen ist", sagte er. "Sensible Verhandlungen wie diese können in der letzten Sekunde scheitern."

GAZA-BEHÖRDEN: FRÜHGEBORENE AUS AL-SCHIFA-KLINIK GEBRACHT

Im Gazastreifen gingen die Kämpfe zwischen israelischen Truppen und der Hamas unterdessen weiter. Augenzeugen berichteten von heftigen Gefechten, während israelische Bodentruppen in das Flüchtlingslager Dschabalia vorzudringen versuchten. Das von der Hamas beherrschte Gesundheitsbehörde teilte am Sonntag mit, bei einem israelischen Luftangriff auf ein Haus in Dschabalia seien elf Menschen getötet worden.

Aus dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza, wo katastrophale Zustände herrschen, wurden nach palästinensischen Angaben rund 30 Frühgeborene in Sicherheit gebracht. Nach der Evakuierung durch Helfer der Vereinten Nationen (UN) und der Organisation Palästinensischer Roter Halbmond sollten die Babys über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten gebracht werden, teilte die Gesundheitsbehörde von Gaza mit. In Ägypten sollen die Säuglinge demnach weiter in Krankenhäusern behandelt werden. Zuvor seien acht Frühgeborene in der Al-Schifa-Klinik gestorben, weil es für ihre Versorgung an Strom und Medikamenten gemangelt habe.

Israelische Truppen haben die Klinik mit der Begründung ins Visier genommen, dass sich darunter eine Kommandozentrale der Hamas befinde. Die Islamisten weisen den Vorwürfe zurück, Krankenhäuser als Basis für militärische Operationen zu nutzen. (Reuters)