Appell an deutsche Muslime im Streit um die Hagia Sophia

Kurz vor der Gerichtsentscheidung über den weltberühmten Sakralbau Hagia Sophia in Istanbul wenden sich Menschenrechtler an die deutschen Muslime. Muslimische Verbände und Gemeinden könnten ihre Solidarität mit Christen in der Türkei zeigen, erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Donnerstag in Göttingen. Dies sei dringend notwendig, "um den gegenseitigen Respekt, Toleranz und ein friedliches Miteinander in der Türkei, in Deutschland und in der ganzen Welt zu fördern und zu stärken", erklärte der Nahost-Experte der GfbV, Kamal Sido.

Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei soll in den kommenden Tagen darüber entscheiden, ob die Hagia Sophia wieder zu einer Moschee wird. Seit 2004 versucht eine nationalistische Vereinigung für Denkmalschutz, die Hagia Sophia wieder als islamisches Gotteshaus zu nutzen, scheiterte damit jedoch wiederholt. Auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan setzt sich vehement für eine Umwidmung ein.

Verbände wie die Ditib und Moscheen könnten für 482 Stunden das christliche Kreuz-Symbol in ihre Fenster hängen, so der Appell der GfbV. Diese Zeitspanne solle die insgesamt 482 Jahre symbolisieren, in denen die Sophienkirche als Moschee genutzt wurde, erklärte Sido. Die deutsch-muslimischen Verbände könnten so bedrängte und verfolgte religiöse Gemeinschaften unterstützen.

Die Hagia Sophia habe eine hohe Strahlkraft, fügte Sido hinzu. Für Christen sei sie ein Symbol ihrer langen Geschichte in der Region und wichtig für ihre Identität. "Die Hagia Sophia als Museum und als ein Wahrzeichen Istanbuls zu belassen, wäre ein Signal des türkischen Staates an alle Christen im Nahen Osten und weltweit."

Die Hagia Sophia ("Göttliche Weisheit") wurde im Jahr 537 als Reichskirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz geweiht und war die größte Kirche des Christentums. Nach der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbul, durch die türkischen Osmanen wurde sie 1453 zur Moschee und mit Minaretten versehen. Republikgründer Mustafa Kemal "Atatürk" machte sie 1934 zu einem Museum. Seit 1985 stehen die Hagia Sophia und andere historische Bauwerke Istanbuls auf der Unesco-Liste für das Weltkulturerbe. (KNA)