Ein T-Shirt geht um die Welt

Frédéric Oumar Kanouté ist kein gewöhnlicher Fußballer: Er spendet Geld für eine Moschee, engagiert sich für notleidende Kinder und bezieht Stellung zum Nahost-Konflikt. Ein Porträt von André Tucic

Fußballstar Frédéric Oumar Kanouté; Foto: dpa
Fußball-Legende Kanouté: Derzeit befindet sich der Torjäger, der mit Sevilla 2006 und 2007 den UEFA-Cup gewann, in Topform. In den letzten sieben Ligaspielen erzielte er neun Treffer und hat insgesamt in dieser Saison bereits 15 Tore auf seinem Konto.

​​Anfang vergangenen Januar gewinnt der FC Sevilla im Achtelfinale des spanischen Pokals gegen Deportivo La Coruna mit 2:1. Zeitgleich hageln Bomben auf den Gazastreifen.

Ungeachtet dessen trifft Frédéric Oumar Kanouté, 31-jähriger Stürmer in Reihen von Sevilla, zum 2:0.

Doch er sollte an diesem Abend nicht nur seine fußballerischen Fähigkeiten demonstrieren.

Der gläubige Moslem bezog Stellung zum Nahost-Konflikt. Denn nach seinem Treffer streifte Kanouté das Trikot über den Kopf, um der Welt die Aufschrift des unter seinem Trikot befindlichen T-Shirts zu zeigen: In vier Sprachen war dort das Wort "Palästina" zu lesen.

Die Stimmung im Stadion Ramón Sánchez Pizjuán war zwiegespalten, die beim Schiedsrichter nicht. Er zeigte Kanouté die gelbe Karte. Tags darauf verhängte der spanische Fußballverband eine Strafe von 3.000 Euro gegen den Mann aus Mali.

Schließlich sind jegliche politische Äußerungen auf dem Spielfeld tabu. Der Weltverband Fifa hat dafür eigens eine Regel in seinen Statuten niedergeschrieben:

"Slogans und Werbeaufschriften, politische, religiöse sowie persönliche Schriftzüge" sind unerwünscht – gesellschaftliche Streitigkeiten sollen nicht in der aufgeheizten Stadion-Atmosphäre ausgetragen werden.

Profi-Fußballer mit Profil

Das weiß auch Kanouté, doch hat er sich nicht abhalten lassen: "Ich hatte das Gefühl, das tun zu müssen. Jeder sollte sich verantwortlich fühlen, wenn solche Ungerechtigkeiten geschehen", erklärt der Fußballer.

Es war nicht das erste Mal, dass Kanouté gezeigt hat, dass Profi-Fußballer nicht zwangsläufig minder bemittelte Konformisten sein müssen. Als Sevilla vor zwei Jahren einen Sportwetten-Anbieter als Trikotsponsor präsentierte, weigerte er sich diesen Dress zu tragen.

Der FC Sevilla bejubelt den UEFA-Cup-Sieg 2006; Foto: dpa
2006 führte der 31jährige malische Nationalspieler und FC Sevilla-Stürmer seinen Club zum UEFA-Cup-Sieg.

​​Sein muslimischer Glaube verbiete ihm das Glücksspiel. Sevillas Präsident José María del Nido staunte nicht schlecht, hatte aber Respekt vor der Entscheidung seines Spielers und einigte sich mit dem Sponsor: Der Schriftzug wurde auf Kanoutés Trikot überklebt, bis der Sportwetten-Anbieter einer islamischen Charity-Organisation eine Spende zukommen ließ.

Kanoutés Vorschlag kam nicht von ungefähr: Schon seit einigen Jahren engagiert er sich für soziale Projekte. 2006 hat er den "Development Trust" gegründet, eine Organisation die in Mali ein Dorf samt Schule für rund 100 Waisenkinder gründete.

Zwar ist Kanouté in Lyon geboren und aufgewachsen, doch seine Wurzeln liegen in dem gebeutelten westafrikanischen Mail. Also in jenem Land, in dem eins von neun Kindern stirbt, bevor es das fünfte Lebensjahr erreicht, wo 64 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben und die Lebenserwartung gerade einmal 48 Jahre beträgt.

Engagement für die Ärmsten der Armen

Nicht zuletzt seine Einsätze für die Nationalmannschaft von Mali haben ihm verdeutlicht, wie notwendig Hilfestellungen sind. Im letzten Sommer erst hat Kanouté mit Unterstützung des FC Sevilla sowie der UNICEF ein Benefizspiel zugunsten notleidender afrikanischer Kinder organisiert.

Er engagiert sich aber nicht nur in Afrika. Ende 2007 hat Kanouté durch eine Spende von einer halben Million Euro eine Moschee nahe Sevilla vor der Schließung bewahrt.

Der Glaube war ihm, seiner Frau Fatima sowie den beiden Kindern Ibrahim und Iman schon immer viel Wert. "Mir ist klar, wie glücklich ich in diesem Leben bin. Dafür danke ich Gott", so Kanouté.

Seine Profikarriere begann 1997 bei Olympique Lyon und führte ihn über West Ham United und Tottenham Hotspur 2005 zum FC Sevilla. Mit den Andalusiern gewann der bärtige Stürmer mit der Glatze und dem sanftmütigen Lächeln 2006 und 2007 den UEFA-Pokal und im selben Jahr die Copa del Rey. Eben jenen Pokalwettbewerb, den er als Bühne für seine politische Meinung nutzte.

Für die Familie und die Menschen in Mali

Nachdem er zwar für Frankreichs U21-Nationalmannschaft auflief, es aber zu keiner Nominierung für das A-Team gekommen war, hat er sich 2004 dazu entschlossen, für das Heimatland seines Vaters zu spielen.

Seither hat er zweimal am Africa Cup teilgenommen: 2004 wurde Mali Vierter und er Torschützenkönig, 2008 hingegen kam das Aus in der Vorrunde. Das, so wurde gemunkelt, hat ihm dazu verholfen, Afrikas Fußballer des Jahres 2007 zu werden.

Ursprünglich war die Auszeichnung nämlich für Didier Drogba von Chelsea London vorgesehen, der aber konnte bei der Preisverleihung nicht anwesend sein. Er befand sich mit der Elfenbeinküste in der Vorbereitung auf das Viertelfinale des zeitgleich stattfindenden Afrika Cups.

Da Mali schon ausgeschieden war und Kanouté erscheinen konnte, hat er den Titel erhalten. Und zwar als erster außerhalb von Afrika geborener Spieler.

Trotz der Gerüchte war Kanouté überglücklich: "Ich widme diese Auszeichnung meiner Familie und den Menschen aus Mali. Ich glaube, der Sport kann helfen, um die Entwicklung in Afrika voranzutreiben." Er zumindest ist einer jener Sportler, die um diese Entwicklung bemüht sind.

André Tucic

© Qantara.de 2009

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