Kleinster gemeinsamer Nenner

Die Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Staaten sind angespannt. Doch in einem Punkt sind sich die beiden Regierungen einig: in der strikten Ablehnung des iranischen Atomprogramms. Von Peter Philipp

Symbolbild USA/Iran; Foto: dpa/DW/AP
Im Grundsatz einig: Die USA und Israel sind die treibende Kraft bei den Bemühungen des Auslandes, den Iran am Auf- und Ausbau seines Atomprogramms zu hindern, schreibt Peter Philipp.

​​ Der israelische Industrieminister Benjamin Ben Eliezer kann der schwierigen Situation Positives abgewinnen: US-Präsident Barack Obama bemühe sich um eine "neue Welt" und Israel täte gut daran, ganz oben "auf der Welle zu reiten".

Kritische Worte aus Washington änderten nichts an den engen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Wenn nun binnen weniger Stunden und Tage ein Großaufgebot von amerikanischen Politikern und Diplomaten im Nahen Osten erscheine, dann solle Israel dies begrüßen: Es gebe ihm schließlich die Möglichkeit, irrige Annahmen und Konzepte in Washington zu korrigieren, sagt Ben Eliezer.

Ob solcher Zweckoptimismus Berechtigung hat, muss sich erst noch erweisen. In der Frage der umstrittenen israelischen Siedlungspolitik, der Frage von Friedensverhandlungen mit Syrien und - vor allem - der Frage des Atomstreits mit dem Iran.

Bei den Gesprächen von US-Verteidigungsminister Robert Gates steht der Iran als zentrales Thema auf der Tagesordnung. Ein Thema, bei dem es in den letzten Jahren die wohl größte Übereinstimmung zwischen Washington und Jerusalem gegeben hat. Denn Israel und die USA waren und sind die treibende Kraft bei den Bemühungen des Auslandes, den Iran am Auf- und Ausbau seines Atomprogramms zu hindern.

Die Erklärungen amerikanischer wie israelischer Politiker zu dieser Frage klingen meist sehr ähnlich. US-Außenministerin Hillary Clinton versicherte erst an diesem Wochenende wieder, dass die iranischen Versuche vergeblich seien, den gesamten atomaren Kreislauf beherrschen zu wollen.

Und wenn Präsident Obama auch weiterhin das Angebot aufrecht erhält, mit dem Iran in einen Dialog einzutreten, so hat er wiederholt betont, dass Teheran unter keinen Umständen Atomwaffen entwickeln dürfe.

Washington will keinen israelischen Alleingang

Joe Biden; Foto: dpa
US-Vizepräsident Joe Biden versicherte, die USA würden sich im Fall eines israelischen Angriffs nicht einmischen, schließlich sei Israel ein souveräner Staat.

​​ In Israel wiederum hat die Rechtskoalition von Benjamin Netanjahu die iranische Atompolitik längst zu einer "Bedrohung für die Menschheit" hochstilisiert und immer wieder lässt Israel durchblicken, dass es gegebenenfalls entschlossen sei, militärisch gegen das iranische Atomprogramm vorzugehen.

Joe Biden versicherte kürzlich, die USA würden sich im Fall eines israelischen Angriffs nicht einmischen, schließlich sei Israel ein souveräner Staat. Obama-Vize Biden wurde zwar später von seinem Chef "korrigiert", aber in Jerusalem hörte man seine Äußerungen mit Genugtuung.

So weit war man in Washington nicht einmal unter dem Israel ergebenen George W. Bush gegangen. Im Gegenteil: Israelische Warnungen und Drohungen gegenüber Iran wurden unter dem Vorgänger von Obama meist rasch und deutlich beantwortet:

Die USA wünschen keine israelischen Alleingänge, weil sie deren Folgen zu tragen haben würden. Angesichts der Lage im Irak und in Afghanistan war Washington nicht bereit, ein neues Abenteuer einzugehen. Und schon gar nicht, sich von Israel in ein solches hineinziehen zu lassen.

Amerikas Nahost-Politik neu gestalten

US-Verteidigungsminister Robert Gates; Foto: AP
US-Verteidigungsminister Robert Gates hat jüngst der iranischen Führung im Streit um sein Atomprogramm mit neuen Sanktionen gedroht.

​​ Diese Voraussetzungen gelten auch unter Barack Obama. Mehr noch, weil dieser sich vorgenommen hat, die amerikanische Politik im Nahen und Mittleren Osten von Grund auf zu überarbeiten und neu zu gestalten.

Amerikanische Bemühungen um eine Wiederaufnahme der israelisch-palästinensischen und auch der israelisch-syrischen Verhandlungen vertragen sich ebenso wenig wie das Dialogangebot an den Iran mit der Möglichkeit eines israelischen Angriffs dort.

Washington muss versuchen, Israel von solch einem Abenteuer abzuhalten - das unabsehbare Folgen für die gesamte Region haben könnte -, gleichzeitig wollen die USA sich aber offenbar auch nicht allzu deutlich gegen Israel stellen. Dies widerspräche der traditionellen Linie, könnte aber auch ein falsches Signal an den Iran und andere Parteien in der Region sein.

In Jerusalem weiß man das sicher, denn kaum jemand dort kennt sich in der amerikanischen Politik so aus wie Netanjahu. Was ihn freilich nicht daran hinderte, demonstrativ Kriegsschiffe durch den Suez-Kanal in Richtung Persischen Golf in Bewegung zu setzen, darunter offenbar auch von Deutschland gelieferte U-Boote, die möglicherweise mit Atomraketen bestückt sind.

Beruhigend mag sein, dass militärische Aktionen normalerweise nicht mit solcher Offenheit angekündigt werden, auch - und gerade - nicht von Israel. Aber sie sind wohl der Hauptgrund für den Besuch des US-Verteidigungsministers in Jerusalem. Die Mahnung "Kein Alleingang" gilt unter Obama ebenso wie unter dessen Vorgänger.

Peter Philipp

© Deutsche Welle 2009

Qantara.de

Beziehungen USA – Iran
"Charme-Offensive" für ein Ende der Eiszeit
Obamas Videobotschaft an die Iraner beinhaltete gleichzeitig einen Appell für einen neuen Dialog mit der politischen Führung in Teheran. Doch wer käme aus iranischer Perspektive am ehesten in Frage, einen solchen Dialog mit Washington zu führen? Antworten von Katajun Amirpur aus Teheran.

Obamas Dialogangebot an den Iran
Ein Neubeginn ohne Feindbilder?
Nach Jahrzehnten der offenen Feindschaft hat US-Präsident Barack Obama dem Iran einen Neubeginn in den Beziehungen angeboten. Bei vielen Iranern stieß Obamas Botschaft auf offene Ohren. Peter Philipp kommentiert.

Obamas Dialogangebot an die islamische Welt
Abkehr vom simplen Dualismus
US-Präsident Obama hat der islamischen Welt die Hand gereicht und ihr eine "neue Partnerschaft in gegenseitigem Respekt" angeboten. Damit sendet er ein wichtiges Signal für eine wirkliche Zeitenwende – und vollzieht einen endgültigen Bruch mit der Bush-Ära, meint Loay Mudhoon in seinem Kommentar.